4 Patagonien

Dienstag, 8. Februar 2011

Big City Nights III: Valparaiso und Santiago (22.12.-24.12.)

Mit den Städtetouren war es immer noch nicht vorbei, da wir von Santiago aus nach Auckland fliegen würden. Und weil wir schon so viel von Valparaiso gehört hatten, ließen wir Santiago erst mal links liegen und fuhren gleich vom Flughafen aus weiter in Richtung Meer. Leider klappte unsere versprochene WG Connection überhaupt nicht und so stiegen wir im Hostal Casa Verde Y Limon ab. Wie der Name schon sagt, war alles in grün und gelb angemalt, überall waren Mosaik aus Flaschendeckeln und im Aufenthaltsraum hing ein Trapez- sehr schön! Da wir gar keine andere Wahl hatten, nutzten wir das Gemeinschaftsbad, Duschvorhangzustand gut. Valpo wie der Insider sagt, gefiel mir viel besser als Buenos Aires, denn erstens ist die Stadt kleiner, liegt am Meer und ist auch nicht so schick , und hat zweitens eher so einen verratzten Charme, genau wie ich es mag. Wahrzeichen der Stadt sind die Aufzüge, die ungefähr um die 100 Jahre alt und meiner Meinung nach auch schon so lange nicht mehr gewartet worden sind. Dementsprechend nervös war ich bei der ersten Fahrt, denn es geht doch einigermaßen steil hoch und Jochen erklärte mir auch ganz genau, wie schnell der Wagen werden würde, falls das Stahlseil, das nun wirklich nicht mehr gut in Schuss aussah, reißen würde. Aber alles ging gut und da die Wagen auch von Einheimischen benutzt wurden, war ich beruhigt und nach ein paar Fahrten auch ziemlich routiniert. Außerdem schlenderten wir noch durch unser Viertel, das natürlich auch auf einem der 42 Hügel lag, dessen Namen ich aber leider vergessen habe, kauften Bücher und tranken unsere letzten Pisco Sour. Jedes südamerikanische Land, das wir besucht haben, behauptet von sich, den Pisco erfunden zu haben und in jedem Land wird es als Nationalgetränk angepriesen. Es schmeckt auch überall ein bisschen anders, aber überall sensationell lecker. Und obwohl er manchmal mit Eischnee gemacht wird, was sich eigentlich ziemlich eklig anhört, ist es das nicht und wir sind auch nie krank davon geworden. Mein absoluter Höhepunkt der Stadt war die Besichtigung von Pablo Nerudas Haus. Ich hab mich sofort in seine Bude verliebt, die über den Dächern von Valpo mit Blick aufs Meer thront und mit lauter tollem Krimskrams vollgestellt ist. Das Haus sieht aus wie ein Schiff, fast alle Türen sind aus buntem Glas (will ich auch haben) und es besitzt eine kleine Bar mit Klo, in das man reinschauen kann (will ich nicht haben). Da wir uns Audioguides geliehen hatten, die ich eigentlich nur ganz kurz und auch nur ein bisschen unhygienisch fand, und das auch nur, weil mich Stefan (vielen Dank noch mal) auf den zugegebenermaßen vorhandenen, aber von mir bis zu diesem Zeitpunkt immer übersehenen Ekelfaktor hingewiesen hat, bekamen wir viele interessante Details und Anekdoten aus Pablo Nerudas Leben mit. Die schönste Geschichte fand ich, dass er ein Karussellpferd, das er irgendwo gefunden hatte, extra in seinem runden Raum aufgestellt hat, damit das Pferdchen immer noch das Gefühl hat, auf seinem Karussell zu sein. Ist das nicht süß? An unserem letzten Abend zogen wie noch mal um die Häuser, was in unserem Fall bedeutete, dass wir nach dem Essen noch in eine Kneipe gingen. Ich war überaus angetan von der Tatsache, dass es auch in Valpo und nicht nur in New York einen Blauen Salon gibt, der hier allerdings El Canario heißt. Der größte und eigentlich einzige Unterschied zum Blauen ist, dass man hier überall rauchen darf und es Paulaner (natürlich kein Hefe!) in Literflaschen gibt. An diesem Abend hätte es sogar noch Musik gegeben, aber wir waren leider zu müde, um auf die Band zu warten, die wahrscheinlich gegen 2 Uhr angefangen hätte zu spielen. Valparaiso ist auf jeden Fall eine der coolsten Städte, die wir gesehen haben und ich habe hier mal wieder bereut, dass ich es während des Studiums nicht geschafft habe, meinen Hintern mal ins Ausland zu bewegen. Valpo wäre meine Stadt gewesen.
Leider oder auch glücklicherweise blieb keine Zeit zum Trauern, denn wir mussten ja schon wieder weiter nach Santiago de Chile. Obwohl es uns echt schwer fiel, bei dieser Hitze irgendwie in Weihnachtsstimmung zu kommen (so deutsch sind wie dann doch, dass dazu Schnee oder zumindest etwas kältere Temperaturen dazu gehören), hat das Wetter hier den Vorteil, dass alle Welt auf den Beinen ist. Die Kneipen sind voller Menschen, die mittags um 12 bei 30 Grad Bier in sich rein schütten und Familien sind unterwegs und machen Ausflüge. Wir entschieden uns für die Familienvariante und fuhren mal wieder Bähnchen auf einen Berg mitten in der Stadt, von dem man die Aussicht auf den Moloch Santiago genießen kann. Außerdem war dort eine Krippe aufgebaut, aber da es keine Kirche wie in Flochberg gab, aus der das Christkind rausgefahren kommt, fehlte bei mir ein ganz entscheidender Weihnachtsbestandteil. Von dort oben aus riefen wir auch zu Hause an, um ein Frohes Fest zu wünschen, was dann doch ganz schön komisch war. Irgendwie wären wir an so einem Tag dann doch ganz gerne zu Hause gewesen. Um das Heimweh zu vergessen, trank ich schnell einen Motte (vielen Dank für den Tipp Carola), ein sonderbares Getränk, das leider ohne Alkohol, aber mit irgendwelchen Körnern und einer kleinen orangenen Frucht drin daher kommt. Schmeckt aber auf jeden Fall gar nicht so übel und sieht lustig aus. Danach gingen wir noch zu einem Markt, da ich unbedingt noch tausend Sachen kaufen wollte. Der Markt war auch sehr schön, die Preise allerdings echt gesalzen, und das für Klamotten made in India. Hier konnte man einen Aspekt der Globalisierung sehr schön sehen, denn das Angebot ähnelte dem in Bolivien, Peru und Ecuador, aber auch Nepal und Indien und nicht zuletzt dem, was man in den entsprechenden Läden in Tübingen kaufen kann. Auf dem Flughafen hatten wir und vor allem ich dann noch ein sehr schönes Erlebnis. Als wir an einem Essensstand, Restaurant kann man das auf dem Flughafen ja nicht nennen, vorbeiliefen, schenkte uns der Typ hinterm Tresen eine kleine Flasche Wein und wollte uns sogar noch richtige Weingläser dazu geben, damit wir ein bisschen Weihnachten feiern konnten. Und dann bekam ich noch von Jochen ein Weihnachtsgeschenk, obwohl wir die Abmachung hatten, uns nichts zu schenken, an die ich mich selbstverständlich gehalten habe. Das war also unser erstes Weihnachten fern von daheim und das Ende von unserer Südamerikareise.

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Big City Nights II: Asados in Buenos Aires (19.12.-21.12.)

Nach diesem Übernachtungstrauma stand uns der Sinn nach einem schönen, sauberen, richtigen Hotelzimmer, was wir uns dann auch gönnten. Unser Hotel war so zentral gelegen, dass wir fast alles zu Fuß erledigen konnten. Buenos Aires erschlug uns anfangs etwas, da wir weder die Hitze, zum ersten Mal auf der Reise hatte es ungefähr 40 Grad im Schatten, noch die vielen Menschen gewohnt waren. In den Haupteinkaufsstraßen geht’s zu wie in Tübingen auf dem Weihnachtsmarkt. Wie der fleißige Blogleser weiß, sind unsere Stadtbesichtigungen immer etwas beschränkt und so auch hier in Argentinien. Als erstes schauten wir uns nur das Stadtviertel San Telmo an, ein hübscher Fleck mit vielen Läden und Cafés und hätte ich nicht schon einen vollen Rucksack gehabt, dann hätte ich bestimmt wahnsinnig viele Klamotten und Schallplatten gekauft. So blieb es bei einer Tasche, von denen ich daheim ja auch kaum welche habe, aber diese ist wirklich sehr klein und sehr praktisch, also eigentlich eine nützliche und notwendige Anschaffung. Und auch wenn es furchtbar ungeschickt zum Transportieren ist, erstanden wir noch einige tolle Poster, die nächstes Jahr in unserer Wohnung besichtigt werden können, falls wir sie heil nach Hause bringen. Dann stand selbstverständlich noch Boca auf dem Programm, wobei der Reiseführer einem eine riesen Angst einjagt, so dass wir ganz unlocker waren, was sich aber als völlig unbegründet herausstellte. Ich fand Boca dann auch eher enttäuschend, denn dort „wo es sicher für Touristen ist“ war es so mega touristisch, dass wir ganz schnell wieder verschwanden und uns nur noch das Stadion anschauten. Auf dem Weg dorthin konnte man sich dann doch ein wenig vorstellen, wie das Viertel eigentlich aussieht und am Ende sahen wir sogar noch ein paar Jungs Fußball spielen, wobei ich kein Talent ausmachen konnte. Den Rest der Zeit verbrachten wir Asado essend und Rotwein trinkend in verschiedenen Restaurants. Hier hatte der Reiseführer wahrscheinlich auf jeden Fall recht, die besten Asados in ganz Argentinien gibt’s hier in Buenos Aires und am letzten Abend sahen wir dann endlich auch noch eine Tangovorstellung auf der Straße, was ziemlich gut aussah, mich aber trotzdem etwas enttäuschte, da ich irgendwie dachte, dass praktisch alle Menschen ständig Tango tanzend durch die Straßen schweben. Aber trotz dass meine zugegebenermaßen etwas romantisierte Vorstellung dieser Stadt enttäuscht wurde und wir auch viel zu kurz dort waren, gefiel uns Buenos Aires dann doch ganz gut. Deutlich wurde auch, dass zumindest Jochen quasi ein waschechter Plateno ist, da er den Betrugsversuch des Taxifahrers durchschaute und wir so nur um ein paar Euro und nicht mehr beschissen wurden.

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Big City Nights I: Arabian Dance in Montevideo (18.12.-19.12.)

Da wir uns fest vorgenommen hatten, unseren Worten Taten folgen zu lassen, flogen wir nicht wie ursprünglich geplant nach Buenos Aires, sondern nach Montevideo, um unseren Freund Lucho zu besuchen. Allerdings stellte sich das als gar nicht so einfach heraus, da er erst nicht zu erreichen war und uns dann mitteilte, dass er eigentlich gar keine Zeit für uns hätte. Aber der Flug war schon gebucht und so stiegen wir ins Flugzeug, das dann aber leider nicht abhob. Mit jeder Minute im Flugzeug verkürzte sich unsere sowieso schon knappe Zeit in Uruguay und so sollten wir, als wir endlich in Montevideo auf dem Flughafen ankamen, mit unserem kompletten Gepäck sofort zu einer Adresse fahren, wo Lucho und seine Freundin Vivien bei einem arabischen Tanzabend zugegen waren um Fotos zu machen. Der Taxifahrer kannte die Adresse nicht und musste sich zu diesem Etablissement, das sich als abruchreifes Haus herausstellte, durchfragen. Die Wiedersehensfreude war groß, die Tanzveranstaltung hatte noch nicht begonnen (22 Uhr!), es war heiß und wir hatten Hunger. Geboten wurde eine wilde Mischung, die jedoch mit Enthusiasmus und vor allem großer Ausdauer dargeboten wurde. Es gab indischen Tanz, Bauchtanz (die Betonung lag vor allem auf dem Bauch, aber auch auf der Hüfte), jegliche Art von Ausdruckstanz mit wechselndem Gerät (sehr beliebt waren Plastikschwerter). Ich kam mir vor wie beim Gymnastik-Tanz-Fest an der Uni leider ohne anschließende Party, aber auch wie bei einer Schulveranstaltung, denn auch Kinder waren mit von der Partie, die zu Shakira offensichtlich selbst kreierte Performances zum Besten gaben. Lucho hatte uns zwar schon vorgewarnt (it’s going to be very bizarre), aber nach drei Stunden waren wir wirklich sehr erschöpft und Jochen dem Hungertod nahe. Glücklicherweise konnten wir um 1 Uhr den Ort des Geschehens verlassen und zum Essen gehen. Gleich bei Lucho ums Eck gab es einen Platz mit Asados und riesigen Bieren und es schien auch niemanden zu wundern, dass wir um diese Uhrzeit noch einen Berg Fleisch, Wurst und Innereien bestellten. Mich wunderte das nach dem vorangegangenen kulturellen Ereignis eigentlich auch nicht, und als wir so gegen halb drei gingen, hatte gerade ein Pärchen ebenfalls ein Asado bestellt. Und für uns ist Ausgehen nach 22 Uhr schon ein Riesending! Damit waren die Kuriositäten aber immer noch nicht beendet, denn wir mussten noch in Luchos Wohnung, die eigentlich einem Freund gehörte, für den er eine Art Housekeeping machte. Er hatte uns ebenfalls vorgewarnt (my flat is a mess), und wir sind ja eigentlich einiges gewohnt, aber was wir dort vorfanden, lässt sich mal wieder eigentlich nicht in Worte fassen. Wer Sparis Bude in der Belthlestraße kurz bevor er auszog kannte, hat vielleicht eine kleine Vorstellung, ist aber immer noch meilenweit von dieser Junkiebude entfernt. Ich habe noch nie in meinem Leben eine so vollgemüllte, dreckige und eklige Wohnung gesehen. Im Prinzip war jeder Fleck mit Müll übersät und die Bad-Klo-Kombination eigentlich ein Fall fürs Gesundheitsamt. Der Duschvorhang war nicht verschimmelt, er bestand komplett aus Schimmel und auch Viviens Versuch mit Klostein etwas gegen den Gestank auszurichten war ein Kampf gegen Windmühlen . Glücklicherweise waren wir so fertig, dass wir das Ausmaß der Verwüstung und Vermüllung erst am folgenden Tag so richtig wahrnahmen. Jochen meinte zwar, dass man nach dem Duschen dreckiger sei als vorher, aber ich unterdrückte jegliche Gefühlsregung und stellte mich für ein paar Sekunden unters Wasser. Bilder dieses Ortes existieren, werden aber aus rechtlichen Gründen nicht öffentlich gemacht. Frühstück fiel aus, was ich angesichts der Küche ausgesprochen sinnvoll, Jochen aber problematisch fand, und so gingen wir vor dem Flohmarktbesuch in einer lustigen Eckkneipe frühstücken. Die Kneipe war voller Männer, die lautsark diskutierend Bier tranken und das Frühstück bestand aus fettigen Käse-Schinken-Sandwiches- herrlich. Auf dem Markt gab es allerhand, schrecklich war vor allem die Tierstraße, wo es Hundewelpen (ich hätte beinahe einen gekauft), Fische und viele Vögel in viel zu kleinen Käfigen gab, die ich auch am liebsten alle gekauft und frei gelassen hätte, vor allem die unglaublich traurige und zerfledderte Eule, die in einem der Käfige kauerte. Während Lucho zur Arbeit ging, zeigte uns Vivien ihre Fotoausstellung, die neben anderer moderner Kunst in einem ehemaligen Gefängnis ausgestellt war. In jeder der winzigen Zellen war eine Installation und Kunst in weitester Form untergebracht- echt abgefahren und auch ihre Bilder waren für meine Begriffe ziemlich gut. Da wir noch Zeit hatten, bis es zur Fähre ging, besuchten wir Lucho, der beim Fernsehen arbeitet und der gerade dabei war, eine TV-Show, die abends live und open air stattfinden sollte, vorzubereiten. Das war recht interessant und witzig, da Lucho die Prominenten darstellen sollte, die von der Moderatorin, einem Playmate, überschwänglich begrüßt wurden. Schade, dass der Besuch so kurz war, denn so haben wir von Montevideo und Lucho nicht allzu viel gesehen, aber auf der anderen Seite sind wir von der einen Nacht und der einen Dusche auch nicht krank geworden. Es hat halt alles seine Vor- und Nachteile.

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Der Verlust der Thermoskanne: Calafate, Perito Moreno und El Chalten (13.12.-17.12.)

Die Herbergssuche in Calafate stellte sich als gar nicht so einfach heraus, da wir im Huelmul (oder so ähnlich), einem Tipp eines verrückten Franzosen, kein Doppelzimmer mehr, aber die Amis wenigstens einen Platz im Dorm bekamen. Wir fanden dann aber eine richtig gute Alternative, eine kleine Hütte, in der wir eine Kochgelegenheit, ein Klo und eine Dusche mit zwei anderen Pärchen teilten. Wir nutzen die Küche aber gar nicht, da wir endlich unser erstes Asado zu uns nahmen. Wahnsinn!!! Das schmeckt so lecker, das kann man eigentlich gar nicht in Worte fassen. Selbstverständlich esse ich Fleisch ab jetzt auch nur noch blutig, alles andere geht gar nicht. Außerdem konnten wir hier feststellen, dass wir locker zusammen eine Flasche Rotwein trinken können ohne am nächsten Tag mit Kopfweh aufzuwachen, es muss nur die richtige sein. Netterweise hatten Rafael, George und Nico uns angeboten, uns in ihrem Mietwagen zum Perito Moreno Gletscher mitzunehmen. So waren wir zeitlich flexibel und konnten vor den ganzen anderen Bussen am Gletscher sein und hatten außerdem noch Bespaßung inklusive. Der Gletscher ist wirklich beeindruckend, und auch wenn es bei uns nicht so ein Spektakel wie damals bei Andi uns Susi gab, sind auch schon die kleineren Abbrüche recht spektakulär. Ursprünglich wollte ich unbedingt mit einem Boot an den Gletscher fahren, aber von den Aussichtstribünen aus ist man eigentlich viel näher dran und kann dann, wenn Boote kommen, die Dimension dieses Gletschers viel besser einschätzen. Wie schon erwähnt, waren wir mit Supersportlern, die auch noch zehn Jahre jünger als wir waren, unterwegs und deshalb war die Gletscherbesichtigung selbstverständlich nicht genug und wir starteten noch zu einer kleinen Wanderung. Schon nach einigen Minuten hatten wir die Jungs aus den Augen verloren und so legten wir uns mit Sicht auf den Gletscher ins Gras in die Sonne, tranken Tee aus unserer tollen Thermoskanne und warteten, bis die drei wieder vom Berg kamen. Leider trennten sich hier unsere Wege, da wir noch am gleichen Tag nach El Chalten weiter fuhren, um dort zum Cerro Torre und Fitz Roy zu wandern.
Auf der Fahrt dorthin, hatten wir im Gegensatz zum Torres del Peine riesen Glück, denn es gab freie Sicht auf beide Berge, auch wenn wir das erst bemerkten, als der ganze Bus anfing, wie wild Fotos zu schießen. El Chalten ist der jüngste Ort in Argentinien, existiert nur, weil es die Berge dort gibt und besteht ausschließlich aus Unterkünften und Restaurants. Hier hatten wir auch unsere erste und einzige Nacht in einem Dorm gebucht und teilten unser Zimmer mit einem quasi minderjährigen schweizer Pärchen, deren Reiseführer komplett mit neonfarbigem Textmarker und bunten Post its bestückt war, und einem anderen Menschen, den ich nicht gesehen und nur morgens eine geraume Zeit mit Plastiktüten hantieren hörte. In der Nacht war es auch ein bisschen schwierig, da sich eine israelische Reisegruppe auf dem Gang unterhielt und jeder, der israelische Reisegruppen kennt, weiß, in welcher Lautstärke das vor sich geht. So konnten wir am nächsten Tag ausgeschlafen und fit unsere Wanderung beginnen und kamen in den Genuss der legendären patagonischen Winde- endlich. Einmal wurde ich sogar in eine Hecke geweht und das bei meinem Gewicht! Zwischendurch wollte Jochen auch schon umdrehen, da das Wetter wirklich super schlecht aussah, aber ich zwang ihn zum Weitermarschieren, was aber vor allem daran lag, dass der Weg überhaupt nicht anstrengend war und ich nicht in unser Dorm zurück wollte. Das Wetter war dann auch gar nicht so schlimm, der Zeltplatz schön, aber die Sicht auf den Cerro Torre gleich Null. Dafür hatten wir nette Gesellschaft von einer sehr chaotischen Reisegruppe, bestehend aus einem mittelalten Italiener, einem sehr jungen und einem sehr alten Franzosen. Diese Jungs hatten außer einem Zelt eigentlich nichts dabei, was sie aber gar nicht störte, und uns dazu veranlasste einen Tee mit Rum auszugeben. Leider fehlte uns dazu ein entscheidender Bestandteil, denn wir hatten unsere Thermoskanne im Auto der Amerikaner vergessen! Wandern in Südamerika ohne Thermoskanne ist wie Tauchen auf Galapagos ohne Tauchanzug, aber in Anbetracht dieser Reisegruppe relativierte sich unser Verlust. Zu uns gesellte sich auch noch ein Deutscher, der uns innerhalb der ersten fünf Minuten seinen beruflichen Werdegang aufs Auge drückte, was sich als etwas anstrengend erwies. Jochen meinte dann auch , ich wäre viel zu nett zu solchen Typen und würde sie noch durch Zwischenfragen zum Weitererzählen ermuntern, was vielleicht auch stimmt, aber auf der anderen Seite denke ich mir immer, nett sein kostet ja nichts, und wenn ich alleine unterwegs wäre, wäre ich auch froh über freundliche Leute. Selbstverständlich bin ich davon überzeugt, dass ich nicht zu dieser Kategorie gehöre und alle mich spitze finden, aber man weiß ja nie… Der Weg zum Fitz Roy war eher ein Spaziergang und so hatten wir noch Zeit, einen Ausflug zu einem Gletschersee zu machen. Da wir keine Wegbeschreibung hatten, liefen wir prompt auf der falschen Flussseite aufwärts und mussten deshalb eine wahnsinnig gefährliche Flussüberquerung machen, bei der ich beinahe ertrunken wäre. Jochens dazu gehörendes Foto spiegelt in keinster Weise den Ernst der Lage wieder (Anmerkung Jochen:…doch keine Anmerkung nötig). Auch auf der richtigen Seite war es nicht weniger anstrengend, aber wir wurden mit einem schönen Ausblick auf den Fitz Roy belohnt. Auf dem Campingplatz trafen wir auch wieder alte Bekannte, unsere Zeltnachbarn waren die Belgier und auch die Amerikaner waren dort und versicherten uns, unsere Thermoskanne stünde in ihrem Guesthouse und würde auf uns warten. Nachdem wir den Sonnenaufgang bei den Torres nicht gesehen hatten, starteten wir hier unseren zweiten Versuch und schafften es sogar aufzustehen, Tee zu kochen und loszulaufen und zwar in einer abartigen Kälte. Aber nach den ersten fünf Minuten wandern begann es dann auch noch zu schneien und vom Berg war nichts zu sehen und so krochen wir ins kalte Zelt und die noch kälteren Schlafsäcke und verließen den Park einige Stunden später im Sonnenschein- Patagonien eben! Wieder zurück in Calafate wollten wir noch unsere Kanne abholen, sie war auch vor Ort, aber der Guesthousebesitzer versicherte uns, sie sei ein Geschenk der Amerikaner an ihn gewesen. So sind sie, die Latinos, alles Baraber!

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Ultima Esparanza: Puerto Natales und Torres del Paine (7.12.-11.12.)

Obwohl Alejandro nur Besitzer des ‚Los Dos Lagunas‘ ist und Zimmer vermietet und eigentlich kein Reiseveranstalter ist, könnte man das meinen, denn nach dem Frühstück setzten wir uns vor die große Torres del Paine Karte in der Küche und Alejandro begann mit einem Zeigestock bewaffnet uns alle nur denkbaren Wandermöglichkeiten zu erläutern. Ein schweizer Ehepaar, das sich nur die Zimmer anschauen wollte, wurde sofort gezwungen, sich ebenfalls dazuzusetzen und den Ausführungen zu lauschen. Aufgrund der Informationsfülle konnte ich gar nicht alles behalten, aber diese Show findet jeden Tag statt und so hatten wir am nächsten Tag noch mal eine Gelegenheit seinen Vortrag zu hören. Unser Zimmer hatte einen eigenen kleinen Gasofen, der auch bitter nötig war und kein Bad, aber das Gemeinschaftsbad war- Überraschung- sauber und der Duschvorhang in keinster Weise verschimmelt. Puerto Natales liegt wunderschön an der Wasserstraße Ultima Esperanza gelegen, die wir von unserem Bett aus sehen konnten und ist ein recht nettes Städtchen mit Cafes, Buchläden und vielen Restaurants. Hier probierte ich auch meinen ersten und auch letzten Mate, den ich in einem Cafe bestellte, was man, wie ich jetzt weiß, auf gar keinen Fall machen darf. Aber ich glaube nicht, dass dieses Gesöff bei einer Einladung wirklich besser schmeckt. Ich kann gar nicht richtig beschreiben, wie scheußlich das schmeckt und mir ist absolut schleierhaft, warum die Südamerikaner und ja auch bestimmte Kollegen von mir, mit Kalabasse und Thermoskanne bewaffnet in der Gegend herumlaufen. Auch unsere erste King Crab war eine Enttäuschung, denn wir bekamen eine Art kalten Krabbenfleischsalat- und das in Alejandros ‚Geheimtipp‘. Deshalb entschlossen wir uns am Abend in der Gemeinschaftsküche selbst zu kochen und unsere zwei australischen Mitbewohner zu Linsen und Spätzle einzuladen. Lustigerweise war nicht Sam, der Iraner, sondern Jeremy essenstechnisch problematisch, da er als Jude keinen Speck essen durfte. So gab‘s den Speck separat und das Essen wurde zu Jochens Freude von allen überschwänglich gelobt. Leider wurde unser lustiges Beisammensein um 12 Uhr abrupt von Alejandro beendet, so dass wir uns alle ein bisschen wie im Schullandheim vorkamen, vor allem weil wir unsere Weingläser mit aufs Zimmer nahmen.
Am nächsten Morgen fuhren wir komplett ausgerüstet mit Sam und Jeremy und ungefähr fünf weiteren vollen Busladungen in Richtung Torres del Paine Nationalpark. Da das Wetter ziemlich schlecht war, beschlossen wir, nicht an den Torres wie die beiden Jungs auszusteigen und die Wanderung von dort aus zu machen, sondern zum anderen Ausgangspunkt zu fahren, um so am Ende bei den Torres eventuell besseres Wetter zu haben. Alle, die den Park kennen, wissen jetzt , dass wir das W gelaufen sind und nicht die Umrundung, was bestimmt noch toller gewesen wäre, aber da wir mittlerweile ein bisschen unter Zeitdruck waren, entschieden wir uns für die kürzere Variante. Der erste Tag zum Gletscher (echter Gletscher, nicht nur Schnee) war dann auch gar nicht so ohne, vor allem weil ich von außen von den zahlreichen Schneeregenschauern und von innen vom Schwitzen klatschnass wurde, da ich wie immer meine komplette Ausrüstung anhatte und der Weg bis zu unserem Camp sich doch etwas in die Länge und vor allem Höhe zog. Entschädigt wurden wir durch neonblau leuchtende Gletscherstücke, die langsam Richtung Meer trieben und natürlich durch Ausblicke auf den Gletscher selbst. Die Nacht war wie erwartet sehr nass und kalt, aber dank der Thermoskanne konnten wir uns mit steifem Grog leidlich warm halten. Auf dem Weg zum nächsten Camp trafen wir beim Tee trinken in einer Lodge Sam und Jeremy, wo sie sich für die Nacht eingemietet hatten. Wir verabredeten, dass sie uns am nächsten Morgen beim Passieren unseres Camps wecken sollten, was laut ihrer Aussage so gegen 5 oder 6 passieren sollte. Wir beschrieben noch unser Zelt und wanderten weiter. Auch dieser Zeltplatz gehörte zur Kategorie nass und kalt, was so gar nicht zu seinem Namen Campo Italiano passen wollte, weswegen wir selbstverständlich Spaghetti Napoli mit Parmesan kochten. Und wie um uns unseren Luxus noch klarer zu machen, baute neben uns ein armer Tropf seine Schlafstätte auf und versuchte aus Plastikplane und Steinen eine Art Improvisationsbiwak zu bauen. Am nächsten Tag war er schon verschwunden und demnach wohl nicht erfroren. Der Zeltplatz war ziemlich voll und es gab einige Zelte, auf die unsere Beschreibung passte und wir wachten am nächsten Morgen gegen 9 auf, ohne von den Jungs geweckt worden zu sein. Beim Loslaufen trafen wir dann noch ein nettes belgisches Pärchen, das wir auf der Fähre nach Ushuaia kennen gelernt hatten und nach einiger Zeit holten wir auch das muslimisch jüdische Team ein. So eine beliebte und überlaufene Wanderung hat halt auch seine Vorteile. Leider waren die beiden fitnesstechnisch nicht auf ihrem Zenit, so dass wir sie leider irgendwann aus den Augen verloren.
Auf dem Weg zum nächsten Camp trafen wir auf Rafael, den wir zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht kannten. Wie die Postkarte bei Jörg und Lou so treffend sagt, Fremde sind Freunde, die man nur noch nicht kennen gelernt hat, oder so ähnlich. Highlight dieser Etappe war ein wunderschöner See, an dem wir Pause machten und unsere schmerzenden und stinkenden Füße ins eiskalte Wasser hängten. Am Zeltplatz, der ziemlich voll war, machten wir den Fehler, erst zu bezahlen und dann einen Platz zu suchen, was zur Folge hatte, dass wir erst nachdem uns schon zwei Plätze vor der Nase weggeschnappt wurden, neben besagtem Rafael, einem Amerikaner aus San Francisco, dessen Eltern aber in Tübingen an der Uni studiert hatten, und seinen zwei Freunden George und Nico unser Zelt aufschlagen konnten. Das war ein echter Glücksfall, denn die drei waren super nett und obwohl gemeinsames Wandern ausfiel (alles Sportler, und George sogar in irgendeiner hohen Liga (Anm. Jochen: Major League Soccer Champion, also in etwa vergleichbar mit Pfrondorf!) im amerikanischen Fußball), verabredeten wir uns für das Ende der Wanderung in Puerto Natales im großen gelben Haus mit den großen Burgern.
Das Highlight der Wanderung hatten wir uns wetterbedingt ja für das Ende der Wanderung aufgehoben und so kam es dann auch. Als wir an den Torres ankamen, hatten wir freie Sicht und zwar stürmisches, aber trockenes Wetter am Fuß der Türme. Selbstverständlich nahmen wir uns, wie wohl alle Touristen auch, vor, den Sonnenaufgang oben direkt unterhalb der Türme zu besichtigen. Der Wecker wurde auch brav gestellt auf vier in der Früh- und das in den Ferien!!!- er weckte uns auch, aber wir konnten einfach nicht aufstehen, auch wenn wir draußen Stirnlampen huschen sahen. Es war einfach zu früh, zu kalt und zu dunkel und das Wetter fühlte sich auch eher schlecht an. Beim Frühstück im Unterstand wurde unsere Entscheidung auch prompt bestätigt, denn die anderen, die oben waren, konnten die Torres in Wolken gehüllt bewundern. Also wie immer: alles richtig gemacht. Als wir mit dem Bus den Nationalpark verließen, war ich fast ein bisschen geschockt, denn wenn das Wetter gut ist, dann sieht man die Torres schon am ersten Tag vom Bus aus und nicht wie wir nach fünf Tagen wandern.
In der Zivilisation angekommen, genossen wir erst mal eine richtig heiße Dusche und gingen dann Pizza essen, wovon wir eigentlich die ganze Wanderung über schon gesprochen hatten. Die Pizza war auch super lecker und neben uns saßen- große Überraschung- zwei Deutsche, die ihre Wanderung im Nationalpark planten. Da konnten wir natürlich mit unserem Wissen glänzen und als Gegenleistung brachte uns Daniel, der ein Stuttgart 21 Gegner aus der vordersten Reihe ist, politisch wieder auf den neuesten Stand. Schon witzig, wenn man quasi am Ende der Welt einer „Oben bleiben“ Tasche begegnet. Außerdem stellte das Mädel den Kontakt zu ihrer WG in Valparaiso her und stellte uns in Aussicht, dort in einer Studentenbude mit Dachterrasse zu nächtigen. Wie versprochen trafen wir auch noch die Jungs im besagten gelben Haus, wo die Burger wirklich massiv waren. Der Abend endete in einer Kneipe, in der es Literbier und wahnsinnig schlechten chilenischen Rotwein gab, den die Bedienung mir aber stilsicher zum Probieren anbot. Obwohl ich schon beim ersten Schluck die Qualität erahnen konnte, nahm ich an und bezahlte am nächsten Morgen mit meinem ersten richtig schlimmen Kater auf unserer Reise.

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Fin del Mundo Teil 2: Ushuaia (3.12.-6.12.)

Die Fahrt nach Ushuaia war lang, aber ich fand es herrlich, aus dem Fenster in die Pampa zu schauen, die für manche eintönig erscheinen mag und die einen Actionstreifen auf Spanisch (zum Beispiel Rocky III oder X-Men) dem vorziehen, aber zum einen gibt es Strauße, die hier Nandu heißen, und Guanacos zu sehen und zum anderen ist diese leere Landschaft und der weite Himmel einfach phantastisch. Um nun wirklich ans Ende der Welt zu kommen muss man mit der Fähre übersetzen, da Feuerland nur noch aus Inseln besteht und diese Überfahrt war wirklich der Hammer. An Deck war es so windig, dass ich mich an der Reling festklammern musste, weil ich kurzzeitig Angst hatte, weggeweht zu werden. Wir blieben trotzdem die ganze Zeit oben, da uns eine Gruppe schwarz weißer Delphine begleitete, die wie Orcas aussahen und eine kleine Delphinshow darboten, allerdings ohne Bälle, dafür aber mit Synchronsprüngen. Ushuaia ist eigentlich ein Hafenstädtchen, es liegen dort auch Containerboote und Kriegsmaschinerie, es erinnert aber eher an einen Skiort in den schweizer Alpen, was wohl an den vielen Restaurants, Souvenirshops und Hotels in ebendiesem Alpenstyle liegt. Im Gegensatz zu Peru und Bolivien fanden wir das Spanisch in Chile schon um einiges schwieriger zu verstehen, aber kein Vergleich zu Argentinien. Hier reden sie noch schneller als Zoltan und sprechen zudem auch noch viele Wörter ganz anders aus, so dass es eher ein bisschen wie Italienisch klingt, was wiederum prima zu dem phänomenal guten Eis passt, das hier hergestellt wird. Damit selbiges nicht so ansetzt, erkundeten wir die nähere Umgebung, den Nationalpark Tierra del Fuego und den Hausgletscher von Ushuaia. Im Nationalpark waren wir dann auch einen ganzen langen Tag, denn die Wanderungen waren super schön und wahnsinnig abwechslungsreich, wie das Wetter. Das war wahrscheinlich auch die Erklärung, weshalb wir kaum Menschen, dafür aber einen Fuchs aus nächster Nähe sehen konnten. Der Spaziergang zum Gletscher war im Gegensatz dazu doch eher etwas enttäuschend. Die Aussicht auf Hafen und Stadt ist zwar ganz nett, aber die Gletscher (drei!) stellten sich als Berge mit Schnee heraus. Wie sich vor Ort zeigte, hatten wir hier auch zum ersten Mal falsch geplant, denn eigentlich wollten wir auf der gegenüberliegenden chilenischen Insel Wandern gehen und dann mit dem Boot durch die Fjorde zurück nach Punta Arenas fahren. Allerdings kostete diese zwanzigminütige Überfahrt Unsummen, was wohl auch daran liegt, dass sich Chilenen und Argentinier nicht so wirklich mögen und eine Zusammenarbeit irgendwie nicht denkbar ist. Jedenfalls entschieden wir uns gegen diese Idee und sparen sie uns für die Zeit in Rente auf, da sind wir dann auch wirklich endlich genau so alt wie unsere Mitreisenden. Auf gleichen Weg wie wir gekommen waren, ging es dann wieder zurück nach Chile. Allerdings mussten wir diesmal vier Stunden auf die Überfahrt warten, da der Wind zu stark war und es gab diesmal keine Delphine zu sehen. Dementsprechend spät kamen wir dann in Puerto Natales an, wo wir zum Glück ein Zimmer gebucht hatten (auch ein super Tipp der Holländer) und nachts um drei noch mit Tee und heißen Sandwiches von Alejandro, dem Besitzer, bewirtet wurden.

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Wellness am Ende der Welt- Punta Arenas: Cabo San Isidro (27.11.-2.12.)

Punta Arenas hielt zur Begrüßung nicht das, was es versprach. Jeder hat doch so ein Bild vom Ende der Welt im Kopf, meines sah nicht so aus wie Punta Arenas, was sich uns als ziemlich menschenleerer, kleiner, windgebeutelter Ort mit sündhaft teuren Unterkünften präsentierte, der so gar nicht dieses Gefühl vom Ende der Welt vermittelte. Die Preispolitik war auch der Grund, weshalb wir im Hostal del Rey, einer laut Reiseführer kleinen, entzückenden, familiären Unterkunft abstiegen. Wir bekamen dann auch tatsächlich ein Zimmer in der muffligen Wohnung der Vermieter, die wie das Haus ebenfalls nicht mehr ganz taufrisch waren. Das Zimmer war mit Flohmarktplunder beplüscht und enthielt zwar zwei Betten, dafür musste man sich im Zimmer seitwärts bewegen. Die Dusche war nicht wie sonst mit einem, sondern diesmal mit zwei Duschvorhängen bestückt und besaß, wahrscheinlich um den Schimmelvorgang zu beschleunigen, kein Fenster aber einen Klodeckel, der zwar mit rosa Plüsch bezogen war, dafür aber nicht oben blieb und beim Pinkeln auf dem Rücken auflag bis Jochen ihn mit Klopapier justierte. Wir waren so beeindruckt und geschockt, dass wir vergessen haben, dieses Zimmer zu fotografieren. Eigentlich schade. Im zugegebenermaßen für Punta Arenas sensationellen Preis war das Frühstück inbegriffen, das am Abend vorher vom Hausherren, der laut Aussagen anderer Gäste, seine Jogginghose gern mal falsch herum trägt, bereits vorbereitet wurde, indem er zwei Scheiben altes Weißbrot und einen noch älteren Keks auf einem Teller drapierte und diesen mit Frischhaltefolie umwickelte. Dazu gab es ein Glas orangefarbener Marmelade, das schon einige Zeit in Benutzung war, was man sowohl dem Glas als auch dessen Inhalt deutlich ansehen konnte. Dafür hatten wir aber nette Mitbewohner, ein holländisches Pärchen, das uns neben guten Einkauftipps für Patagonien (Regenhose, da zu Hause vergessen und Thermoskanne) auch noch eine Wanderung empfahl und sogar anbot, uns am übernächsten Tag mit ihrem Mietwagen zum Ausgangspunkt dieser Wanderung zu chauffieren. Am nächsten Tag besichtigten wir den als Attraktion angepriesenen Friedhof von Punta Arenas und konnten feststellen, dass es ganz schön viele Europäer – Kroaten, Italiener und natürlich auch viele Deutsche (bestimmt alles ehemalige Parteimitglieder) – in diesen letzten Zipfel Welt verschlagen hat. Mir persönlich gefielen die Bäume, die wie die drei Räuber aus dem Kinderbuch gestutzt waren, viel besser als die Gräber. Da sind unsere Buchsbäumchen daheim noch ne Stange davon entfernt. Auf der schon angekündigten Wanderung präsentierte sich uns Patagonien schon in den ersten Minuten spektakulär. Im Reiseführer steht, dass man innerhalb eines Tages alle vier Jahreszeiten erleben kann. Dem ist allerdings nicht so. ‘Innerhalb einer Stunde‘ ist zutreffender. In strahlendem Sonnenschein, waagerechten Regenschauern, Hagel und Schnee wanderten wir, ständig mit An- und Ausziehen beschäftigt, zwischen Magellanstraße und Regenwald am Strand entlang. Unser Plan sah wieder einmal die Besteigung eines Berges vor, den wir auch in Angriff nahmen, aber durch dieses irre Wetter war der Weg megamatschig und irgendwann gar nicht mehr auszumachen, so dass wir knapp unterhalb der Schneegrenze aufgaben und umkehrten. Am Strand schafften wir es gerade noch, vor dem nächsten Regenschauer das Zelt aufzubauen und da sich das Wetter hier nicht immer ändert, sondern auch mal einfach schlecht bleiben kann, blieben wir dort auch, kochten lecker Maccaroni mit Käsewasser und spielten UNO. Leider hatte ich neben der Regenhose auch das tolle wasserabweisende UNO-Spiel von Trixi zu Hause vergessen, aber in La Paz eine Papierversion erstanden, die sich bis zum heutigen Zeitpunkt hält. Und auch wenn Jochen immer sagt, es sei ein Deppenspiel, macht es uns großen Spaß.
Am nächsten Tag leistete uns eine patagonische Hummel beim Frühstück Gesellschaft, die sich gezwungenermaßen einen dermaßen dicken Pelz zugelegt hatte, dass es unvorstellbar ist, dass dieses fette Ding fliegen kann, aber es kann tatsächlich. Nach einer ziemlich kurzen Wanderung erreichten wir Cabo San Isidro, den südlichsten Leuchtturm der Welt (allerdings nur wenn man vom Festland ausgeht) und das von den Holländern schon angepriesene südlichste Guesthouse. Wunderschön gelegen und schön anzusehen, bestückt mit Sauna und Hot Tub konnten wir nicht daran vorbei und entschlossen uns, wenigstens einen Tee in dem sagenhaft schönen Speisesaal zu uns zu nehmen, der zur Magellanstraße hin komplett verglast war und von einem offenen Kamin beheizt wurde. Zum Tee gab es selbstgebackenen Plätzchen und ein nettes älteres gut situiertes englisches Ehepaar, die einzigen Gäste, die sogleich begannen, uns zum Dableiben zu überreden. Eigentlich waren wir innerlich auch schon so weit, aber mich schockierte der Preis dann doch ziemlich und ließ mich zögern, aber glücklicherweise kennt Jochen da ja nix und nachdem wir auch noch einen Sonderpreis bekamen, bezogen wir unser Zimmer mit Bad ohne Duschvorhang! Danach war Sauna angesagt, die wir selber beheizen mussten. Leider bekamen wir sie nicht über 80 Grad, aber es reichte trotzdem aus, um so aufgeheizt zu sein, dass wir uns in der Magellanstraße abkühlen mussten. Leider gibt es von mir kein Beweisfoto für den Blog, da Jochen mich nur unvorteilhaft beim aus dem Wasser rennen, abgelichtet hat. Dieser Saunabesuch gehört auf jeden Fall zu meinen absoluten Reisehighlights und hier hatte ich nun auch endlich dieses Gefühl, wirklich am Ende der Welt zu sein. Abends dinierten wir mit den Engländern stilgemäß ein dreigängiges Menü inklusive einer Flasche Wein. Es war wieder einmal ein super Abend und ich stelle fest, dass unsere Reisebekanntschaften immer älter werden, was zum einen daran liegen könnte, dass wir sie gezielt aussuchen, um uns dann jünger vorzukommen, aber auch einfach in den Übernachtungspreisen begründet sein kann, die sich nur die englische Oberschicht und wir uns leisten können. Der Abschied am nächsten Tag fiel entsprechend schwer, vor allem weil wir beim Frühstücken von unserem gemütlichen, kuscheligen, beheizten Panoramazimmer aus Delphine beobachten konnten und das Wetter auch noch so richtig schlecht wurde (Schneesturm!). Nach so viel Luxus muss man aber auch mal wieder ein bisschen leiden und so stapften wir komplett in Regenklamotten verpackt wieder in Richtung Punta Arenas. Eigentlich hätten wir auch noch weiter zum Cabo Froward gehen können, das wäre dann nun wirklich der südlichste Punkt des Festlandes gewesen, aber da es dort keine vergleichbare Unterkunft gegeben hätte, wir sogar hätten zelten müssen, verwarfen wir diese Idee selbstverständlich sofort. Obwohl ich schon gerne das Kreuz gesehen hätte, dass sie zu Ehren des Besuchs von Papst Johannes Paul II aufgestellt haben, der aber bestimmt nicht zu Fuß dorthin gekommen ist. Wieder in der Zivilisation in Form einer verlassenen Ferienanlage angekommen, stellten wir fest, dass der Bus nach Punta Arenas erst fünf Stunden später fahren würde, wurden aber aufgrund des widrigen Wetters von einem Mann mitgenommen, in dessen Wohnzimmer, das zwar beheizt, aber zugig war, wir teetrinkend und Karten spielend auf den Bus warteten, während er und seine Frau einen Actionfilm auf DVD sahen. Nachvollziehbarerweise war im Hostal del Rey kein Zimmer mehr frei und wir mussten in eine andere Unterkunft ohne Privatbad. Jochen und ich sind uns bezüglich der Badfrage nicht einig. Er bevorzugt Privatbad, was ich prinzipiell auch besser finde, da ich nachts immer aufs Klo muss, aber ich stelle fest, dass Gemeinschaftsbäder oft sauberer sind und keine oder weniger verschimmelte Duschvorhänge besitzen als Privatbäder. Ich werde dieses Phänomen weiter verfolgen um zu einem abschließenden Ergebnis kommen zu können.

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