Mittwoch, 6. Juli 2011

Om Shiva! (Kathmandu 2.6.-9.6.)

Aufgrund unseres verkürzten Tibetaufenthalts blieb uns noch eine gute Woche in Nepal bevor Carola leider wieder nach Hause zurück fliegen musste. So hatte ich auch endlich mal wieder Zeit, Yoga zu machen. In der Umgebung von Kathmandu gibt es natürlich auch Ashrams, in die man sich für eine Woche einmieten kann, aber dafür reichte die Zeit gar nicht und ich hatte auch ehrlich gesagt gar keine so große Lust eine ganze Woche nach den Strapazen in Tibet in Askese zu leben. Außerdem wollten wir auch noch einige Sehenswürdigkeiten besichtigen und so suchte ich mir einfach ein Yogastudio direkt in Thamel aus, wo ich bequem zu Fuß hin kam. Man darf sich allerdings nicht so einen schönen, hellen Raum wie in Tübingen vorstellen mit Buddahstatuen, Kerzen und Tee, aber immerhin gab es Yogamatten. Mein Lehrer trug eine Adidas Jogginghose und hatte eine kurios orange gefärbte Stehhaarfrisur, was ihn mir gleich sympathisch machte. Also sagte ich gleich für den nächsten Tag zu, was allerdings bedeutete, dass ich um acht Uhr beim Yogameister erscheinen musste. Er selbst absolviert seine Übungen um vier Uhr morgens. Aber das hatte auch einen Vorteil, denn so sah ich Thamel mal von einer ganz anderen Seite, denn um diese Uhrzeit sind alle Läden noch geschlossen, niemand will einem Geigen, Hasch oder sonst was verkaufen und man sieht nur Schulkinder und Frauen, die vom Einkaufen kommen. Die erste Yogastunde, eine Einzelstunde, war nicht schlecht, aber auch keine mega Herausforderung, aber dafür bekam ich alle Übungen super detailliert gezeigt und erklärt. Carola hatte mir schon einiges über ihre Meditationserfahrungen berichtet was mich neugierig gemacht hatte und da Mr. Adidas das auch anbot, dachte ich mir, dass es nun an der Zeit wäre, das auch mal auszuprobieren. Allerdings musste ich dazu sogar schon um sieben Uhr antanzen, aber was macht man nicht alles, um seine innere Ruhe zu finden. Da ich keinerlei Erfahrung mit Meditation hatte, sollte ich die einfachste Art ausprobieren. Nach dreimaligem Om ging‘s dann auch los, Augen zu und Konzentration satt. Zur Erleichterung sagt der Lehrer an, auf welchen Körperteil man sich konzentrieren soll. Und das ging so: „Concentrate on your toe. How does it feel? Is there any pain or tension? Feel the pain and tension and let it go.“ und zwar für jedes Körperteil drei Mal und in nepalischem Englisch, das zum Glück nicht ganz so lustig ist wie das indische, denn sonst wär ich vor Lachen geplatzt. Aber ich hab mich zusammengerissen und versucht, mich auf die angegebenen Stellen am Körper zu konzentrieren, was echt überhaupt nicht einfach ist. Ich habe zwar alles Mögliche gespürt, aber nie das, was ich sollte. Beispielsweise hat mein Ohr gejuckt, wenn ich mich auf den Zeh konzentrieren sollte und außerdem fielen mir immer tausend andere Dinge ein. Zum Beispiel als ich mich auf mein Knie konzentrieren sollte, fiel mir unsere Wanderung mit den vielen Treppen ein und dann ging‘s so weiter: Wie anstrengend das fürs Knie war, aber dass wir uns zum Glück ja die Stöcke gekauft hatten, allerdings ja die billigen und vielleicht sollte man allgemein mehr Markenprodukte kaufen, aber auf der anderen Seite … und so weiter und so weiter. Aber ich habe immer wieder aufs Neue versucht, mich zu konzentrieren, eine Stunde lang nichts gesprochen und meine Augen immer zugehabt. In meiner ersten Mediation habe ich es also nicht im Ansatz geschafft, meinen Kopf zu leeren um Platz für das Göttliche zu schaffen, aber dazu braucht es auch wahnsinnig viel Übung und Carola hat mir von ihren ersten Erfahrungen erzählt, die so ähnlich waren, das hat mich dann beruhigt. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, wie ich zuhause auch nur im Ansatz zum Meditieren in der Lage sein soll, denn im Vergleich zum Leben daheim ist mein Kopf hier ja quasi ‘ne Wüstenlandschaft. Aber ich habe eigentlich schon vor, es noch einmal auszuprobieren, schon allein weil ich das vorbereitende Om sagen so schön finde - ein weiterer guter Vorsatz. Anschließend gab‘s dann noch eine Yogastunde und die war wirklich super und richtig anstrengend und anspruchsvoll. Hier funktioniert das Konzentrieren auch viel besser, allerdings hat man da ja auch was zu tun.
Da wir alle drei große Bollywoodfans sind, wollten wir auch unbedingt hier in Kathmandu auch noch ins Kino. Zu unserer großen Enttäuschung lief kein Sharuh Khan Film, sondern ein vielbeworbener Streifen mit Salman Khan, der schon auf den Plakaten nicht so toll aussah wie unser Held. Aber wir ließen uns nicht abschrecken und freuten uns auf drei Stunden Hindigeplapper, viel Herzschmerz, Musik und Tanz. Allerdings saßen wir dort nicht lange, denn der Film war so doof, dass wir tatsächlich das Kino verlassen mussten. Nicht jeder Khan ist halt ein Sharuh Khan.
Ursprünglich wollten wir auch auf unserer Reise auch noch einmal nach Indien. Nach diesem typisch indischen Hickhack mit der Botschaft hatten wir ja schließlich sogar ein Jahresvisum erhalten, ich fühlte mich absolut indiengewappnet und wollte endlich und auf jeden Fall nach Varanasi. Aber Jochen klemmte in diesem Fall, da ihn die Hitze (milde 45 Grad) abschreckte, was ich wirklich schade fand, denn wenn ich schon mal aus freien Stücken nach Indien und zu all den Indern will… Aber zum Glück gibt es ein nepalisches Pendant zu Varanasi und zwar Pashupatinat. Nicht am Ganges gelegen, aber am heiligsten Fluss, den Nepal zu bieten hat, handelt es sich dabei um ein großes Areal mit hauptsächlich Shiva geweihten Tempeln und Verbrennungsghats. Wir fuhren gegen Spätnachmittag dorthin, da nach Sonnenuntergang an jedem Abend eine Shivazeremonie mit Musik und Lichtern stattfindet. Am Eingang wurden wir von einem ziemlich jungen und sehr netten Nepali angesprochen, der uns, wie schon so viele andere vor ihm, eine Führung anbot. Entgegen unseren sonstigen Gewohnheiten nahmen wir seinen Dienst in Anspruch und das war auch gut so. Bini, so hieß unser Führer, war wirklich sehr nett und konnte uns wahnsinnig viel erklären- besser noch als jeder Audioguide. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, wie es sein würde, eine Verbrennung zu sehen und war deswegen auch ein wenig besorgt, aber schon beim Betreten der Anlage war dort so eine besondere Stimmung, dass ich darüber gar nicht mehr nachdachte. Es war ziemlich viel los, aber nicht, weil so viele Verbrennungen stattfanden, sondern weil immer Menschen zum Beten und Opfer bringen kommen. Viele kommen aber auch einfach so, weil sie den Ort mögen, zum Beispiel spazieren sehr viele junge Pärchen herum und kleine Kinder spielen Fußball. Und dann konnten wir auch tatsächlich eine Verbrennung sehen. Erst einmal wird der Leichnam rituell gewaschen und mit den Füßen im Wasser abgelegt. Währenddessen wird das Verbrennungsghat rituell gesäubert, das Holz aufgeschichtet und der Stoß vor dem Entzünden drei Mal umrundet. Erst danach wird der Holzstoß traditionellerweise vom Sohn entzündet, dem danach die Haare abrasiert werden und der dann ein Jahr lang weiße Kleidung tragen muss, einige Zeit nicht berührt werden darf und nur unleckere Sachen essen darf. Aber auch in Nepal ändern sich langsam die Sitten, denn wir sahen auch eine Tochter dieses Ritual vollziehen. Wenn die Leiche ganz verbrannt ist, wird die Asche in den Fluss geleert und die Plattform für die nächste Kremation hergerichtet. Es ist ganz schwierig zu erklären, wie ich mich dabei gefühlt habe und was ich gefühlt habe. Aber mir erschien diese Bestattung ganz normal, wahrscheinlich auch, weil sie so gar nichts mit unseren auf den Friedhof verbannten Beerdigungen gemein hat und weil währenddessen die alltäglichen Dinge, die ich beschrieben habe, nebenher passieren. Im Gegensatz zu Varanasi werden hier die Leichname aber in Tücher gewickelt und jeder Mensch bekommt genug Geld um sich eine ordentliche Verbrennung leisten zu können. Also dass genug Holz da ist und der Stoß von einem Profi errichtet wird und so weiter. So sah das Ganze auch gar nicht schlimm aus wie ich es mir nach Jochens und Carolas Schilderungen, die ja schon in Varanasi gewesen waren, vorgestellt hatte. Beruhigender weise waren auch kaum Touristen unterwegs, sondern eigentlich nur Einheimische, die aber ebenfalls die Verbrennungen beobachteten, so dass ich mir gar nicht komisch vorkam. Es ist es natürlich nicht unbedingt gern gesehen, wenn Touristen von den Verbrennungen Fotos zu machen, aber Jochen konnte aus der Ferne diskret ein paar Bilder machen, so gibt es jetzt doch Bildmaterial zu diesem besonderen Tag. Wir besichtigten dann noch ein Altenheim, das sich ebenfalls innerhalb der Tempelanlagen befand. Das ist wirklich eine unglaubliche Ausnahme, da in Nepal, wie eigentlich in allen nichtwestlichen Ländern, die ich bisher besucht habe, die alten Menschen von ihren Familie versorgt und gepflegt werden. Aber offensichtlich ändert sich diese Tradition auch hier langsam aber sicher. Ich fand das Altenheim auf den ersten Blick eigentlich ganz nett, da all die alten Leutchen gemeinsam vor der Glotze oder auf Bänkchen saßen und eigentlich fast niemand alleine in seinem Zimmer war. Aber Carola als Frau vom Fach mit dem Blick fürs Wesentliche machte mich dann auf die Zimmer aufmerksam und die waren wirklich schlimm, klein, dunkel und dreckig. Deshalb verließ ich nach unserer Spende das Altenheim auch eher mit gemischten Gefühlen. Mittlerweile war die Sonne untergegangen und die Zeremonie zu Ehren Shivas ging los und das war mit Abstand das Schönste, was ich bisher gesehen und gehört habe. Die Musik kann ich gar nicht beschreiben, Tabla, Sitar und Orgel und viel Om Shanti und Om Shiva. Ich habe mir am nächsten Tag sofort eine CD gekauft, wo hoffentlich eine ähnliche Musik drauf ist (viel Spaß euch allen auf meiner nächsten Party!). Die ganze Menge klatschte und sang begeistert mit und an bestimmten Stellen warfen alle ihre Arme in die Luft und schrien irgendwas. Dazu führten drei Männer in Wickelröcken eine Art Tanz mit Kerzenleuchtern auf. Das sah soooo toll aus, einfach unbeschreiblich. Leider waren wir nicht an Voll- oder Neumond da, denn da werden auch noch kleine Papierbootchen mit Kerzen und Gebeten darauf den Fluss hinunter geschickt. Bini war zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr da und so blieben viele Details der Zeremonie unklar, aber ich war trotzdem restlos begeistert. Ich bin seither zwar noch kein Shivaanhänger, aber ein großer Fan von ihm. Er ist der Zerstörer unter den drei Hauptgottheiten, aber auch derjenige, der immer wieder das Neue erschafft. Mir gefallen seine Insignien (Dreizack und Muschelhorn), er hat die schönsten Haare der Welt (natürlich ewig lange Rastas, aus denen der Ganges entspringt), er hat die tollste Wohnung (Mount Kailash), ist der größte Yogi überhaupt, seine Haut ist blau und seine Anhänger sind die Saddhus, Meditierer und Yogis, die Hasch rauchen dürfen, da dies ihre Form der Anbetung ist, denn Shiva selbst ist halt auch ein alter Kiffer. Also wenn das nicht genug gute Gründe sind, dem Katholizismus den Rücken zu kehren… Am nächsten Tag besuchten wir noch Patan (so ähnlich wie der Durbar Square in Kathmandu), und das war zwar auch interessant, da an diesem Tag besondere Zeremonien stattfanden, aber nicht im Ansatz so beeindruckend wie Pashupatinat. Deswegen schreibe ich darüber auch gar nichts, sondern verlasse mit diesen sensationellen Eindrücken Nepal und bin mir so sicher, dass dies ein Land ist, in das ich auf jeden Fall wieder kommen werde.

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