Montag, 27. Juni 2011

Der Albtraum hat einen Namen: Tibet (23.5.-2.6.)

Gleich mal vorneweg, ganz so schlimm war es natürlich in Wirklichkeit doch nicht, aber zum Einen verklärt man im Nachhinein Geschehnisse ja ganz gern und zum Anderen fiel mir der Name zu diesem Bericht ein, als wir bei Schneesturm in einer Art Café in Darchem saßen und ich gerade von einem nicht überdachten und komplett verkoteten Kloloch zurückkam und wir dann über die ganze Situation so lachen mussten. Und deswegen ist der Bericht über unsere missglückte Kailashumrundung eben so betitelt. Nur zur Warnung vorneweg, dieser Bericht wird sehr lang, aber jetzt von Anfang an, für alle, die weiterlesen. Glücklicherweise hatten wir die Tibettour schon vor dem Ausflug zum Annapurna organisiert, was uns einige Zeit und Energie gekostet hatte, da einfach viel zu viele Anbieter existieren und wir leider keine Leute kennen lernten, die uns hätten Tipps geben können. Und so hatten wir uns auf unser Bauchgefühl verlassen und bei Wayfarers gebucht. Allerdings lag die eigentliche Durchführung bei Tibet International, die wiederum eine Agentur in Lhasa haben, die die Aktion in Tibet organisierten, also alles höchst undurchschaubar, ineffizient und kompliziert. Da wir allerdings viel weniger Zeit für unsere Wanderung benötigt hatten als veranschlagt, hatten wir noch ein bisschen Zeit in Kathmandu und besichtigten weitere kulturelle Höhepunkte, wie den Durbar Square, ein Konglomerat an Tempeln, selbsternannten Guides und Foto-Saddhus und das wichtigste und größte tibetische Pilgerziel in Nepal, die Boudanath Stupa. Ansonsten folgten wir dem üblichen Kathmanduprogramm: essen, Kaffee trinken, shoppen. Und dann ging endlich die Tour los. Für mich ist es schon seit Ewigkeiten ein Traum den Mount Kailash zu umrunden. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das erste Mal Bilder und Dokumentationen darüber gesehen habe, aber seit damals hat mich dieser Berg nicht mehr so richtig losgelassen. Bei unserer ersten Nepalreise war diese Aktion noch völlig utopisch und außerdem war ich mir damals nicht(und bin ich mir auch heute noch nicht so richtig) sicher, ob ich in ein von China besetztes Gebiet reisen will. Aus diesem Grund stand auch der Besuch Lhasas außer Frage, da dies mittlerweile eine chinesische Großstadt ist, in der sie den Pothala Palast nur haben stehen lassen, weil man damit eine ordentliche Stange Geld verdienen kann. In der Zeitung habe ich Bilder vom 50. Jahrestag der sogenannten Befreiung Tibets gesehen, der ganze Platz vor dem Photala beflaggt und geschmückt und wie für einen KP Parteitag hergerichtet. Ich hätte echt kotzen können. Aber der Mount Kailash ist zum Glück ein Berg, den man nicht zerstören und bebauen kann und nachdem es nach dem Bau des Friendship Highways (auch wieder so ein ätzender Euphemismus) nur noch eine Frage der Zeit ist, bis der Rest Tibets auch noch komplett chinaisiert ist, hieß das Motto `jetzt oder nie`. Aus Geld- und Zeitmangel hatten wir uns für die sogenannte Budgetvariante entschieden, die trotzdem noch eine ganze Stange kostet und bei der man mit dem Jeep bis zum Mount Kailash fährt, dann den Berg umrundet (die sogenannte Kora) und dann mit dem Jeep wieder zurück fährt. Wir hatten uns für ein Paket mit Übernachtung und ohne Essen entschieden, was sich schon am ersten Abend als ein ziemlich großer Fehler herausstellte. Bis zur Grenze fuhren wir in einem nepalesischen Jeep und nachdem wir die Grenze überschritten hatten, nahm uns dann ein tibetischer Guide in Empfang. Die Grenzformalitäten sind ein riesen Witz, da man keine „verdächtigen“ Bücher einführen darf, darunter fallen auch der Tibet-Lonely Planet (Vorwort vom Dalai Lama) und alles, was sich kritisch mit Tibet auseinandersetzt oder den Dalai Lama im Titel hat. Das hat zur Folge, dass man alle Bücher vorzeigen muss, die dann auch ganz interessiert durchgeblättert werden, wie wenn die Grenzer auch nur ein Wort Deutsch verstehen würden. Alles andere wird nicht kontrolliert, da sieht man es mal wieder, das Wort ist wohl doch die stärkste Waffe. Jedenfalls war der Anfang ganz ok, der Fahrer und der Guide nett, wenn auch nicht überschwänglich. Die Fahrt zur ersten Unterkunft war nicht spektakulär, ständig muss man an Militärposten anhalten, wo überprüft wird, ob man sich auch ja rechtmäßig im Land befindet und auch einen parteikonformen Guide dabei hat, was Vorschrift ist. Interessanterweise sind das aber oft, wie auch in unserem Fall, Tibeter, wahrscheinlich weil Touristen lieber einheimische Führer haben wollen. Es wurde aber gleich klargestellt, dass Fragen zur politischen Situation nicht erlaubt sind. Alleine und ohne Führer darf man das Land nicht bereisen, weil vor einigen Jahren ein Amerikaner am Everest Basecamp eine Free Tibet Flagge gehisst hat. Unser erster Stopp war eine potthässliche kleiner Ort, in der es nur noch ganz wenig tibetische Häuser, dafür aber umso mehr Betonklötze im chinesisch-kommunistischen Style gab. Hier mussten wir auch noch einen weiteren Tag zwecks Höhenanpassung verbringen. Unsere Unterkunft war der Hammer, ein abgewracktes baufälliges Gebäude, in das es von den Wassertanks auf dem Dach reinregnete. In unserem Zimmer kam die Decke deshalb auch runter und im Gemeinschaftsklo, das gleichzeitig auch das Bad war, bestand die Wand und die Decke nur aus Schimmel. Wir waren die einzigen Gäste, aber trotzdem im kleinsten Zimmer untergebracht. Da wir aber die Unterkunft naiverweise mitgebucht hatten, konnten wir nicht viel dagegen unternehmen, versuchten aber trotzdem mit unserem Führer darüber zu sprechen, was ziemlich aussichtslos war. Denn laut unserem Guide waren alle anderen Hotels ausgebucht und außerdem war unser Budget auch auf Absteigen dieser Art beschränkt. Uns war schon klar gewesen, dass wir in Tibet trotz des hohen Preises nicht viel Luxus erwarten konnten, aber dass wir dermaßen abgezockt wurden, war schon unglaublich. Am nächsten Tag versuchte Jochen dann unseren Kontaktmann in Kathmandu zu erreichen, was aber auch nicht wirklich klappte. Unseren Höhenanpassungsausflug auf den Hausberg machten wir allein, da unser Guide im Bett lag und wurden dabei quasi um ein Haar von Hunden angefallen. Zum Glück fanden wir ein nettes Restaurant, wo wir fast den ganzen Tag und Abend mit Tee und Würfelspiel verbrachten. Der nächste Tag war landschaftlich unglaublich, genauso wie ich mir Tibet immer vorgestellt habe: einfach nur weites Land, unendlicher Himmel und am Horizont die schneebedeckten Berge des Himalaya. Da der Friendship Highway fast komplett asphaltiert ist, ist das Reisen für Touristen und auch Pilger unglaublich bequem geworden. Allerdings bleibt einem die Freude darüber leider im Hals stecken, wenn man weiß, dass die Straße von tibetischen und anderen Zwangsarbeitern gebaut wurde. Der Zweck ist wahrscheinlich die leichtere Zugänglichkeit zu diversen Bodenschätzen, die einfachere Besiedlungspolitik und Jochen vermutet auch, dass auf diesem Weg atomarer Abfall schnell und einfach auf dem tibetischen Hochplateau entsorgt werden kann. Im nächsten Ort ging das Trauerspiel weiter und unglücklicherweise ging es Carola auch so richtig schlecht, was den Klogang, der auch schon in normalem Gesundheitszustand eine Herausforderung war, so richtig problematisch machte. Nach langem Hin- und Her bekam ich wenigstens etwas Wasser um die gröbsten Hinterlassenschaften aus der Rinne zu befördern. Dieser Bericht wird sich viel um die sanitären Anlagen drehen, aber schließlich wird man damit auch relativ oft konfrontiert und mir ist es eben auch nach wie vor unerklärlich, wie Menschen komplett neben die Löcher bzw. Rinnen, die hier das Klo darstellen, machen können und wie es dazu kommen kann, dass auch die Wände komplett voll sind. Außerdem kann ich nicht glauben, dass Tibeter oder Chinesen oder wer auch immer gerne so ein Klo besuchen. Das größte Rätsel bleibt allerdings, weshalb jemand ein Klo mit schräger Rinne baut. Um jedes weitere Wasser musste ich kämpfen, eine Waschgelegenheit gab es nicht, außer im beschriebenen Klo. Aber auch dieses Mal gab es keine Möglichkeit, das Hotel zu wechseln. Wenigstens erreichten wir Leute in Kathmandu und konnten durchsetzen, dass wir die Unterkünfte ab jetzt selbst aussuchen und bezahlen durften. So war das Preis- Leistungsverhältnis wenigstens im Ansatz gegeben. Wir hatten uns schon überlegt, abzubrechen, da es Carola wirklich schlecht ging und auch meine Nacht echt übel war. Ich hatte wahnsinnige Kopfschmerzen, die aber im Laufe des Tages besser wurden. Aber weil wir wenigstens einen Blick auf den Kailash werfen wollten, entschlossen wir uns bis zum Manasarovar See zu fahren, was sich als absolut richtiger Entschluss herausstellte. Da war es nämlich wunderschön, wir waren in einem kleinen familiären Guesthouse untergebracht, die Klos waren zwar außerhalb und nicht überdacht, aber um Längen besser als in den Städten zuvor. Dazu noch die traumhafte Lage am See mit kleinem Kloster und auch schon erste Bergsichten. Allerdings ging es mir dann doch wieder so schlecht, dass ich die Klosterbesichtigung nicht mitmachen konnte. Ich musste mich morgens ganz erbärmlich im Schneetreiben vor der Hütte übergeben. Deswegen wollte ich auf gar keinen Fall in den nächsten Ort, den Ausgangspunkt für die Kora, fahren, da wir so noch mal ein bisschen höher schlafen würden und es uns außerdem bei der Familie so gut gefiel. Aber unser Guide behauptete, dass dies für die Organisation der Kora notwendig sei und wir außerdem eine bessere Unterkunft bekommen würden und die zusätzliche Höhe vernachlässigbar sei. Alle drei Dinge stellten sich als falsch heraus. Die Unterkunft war unter aller Sau, aber wir waren auch zu fertig um uns was anderes zu suchen, die Höhe machte sehr wohl einen Unterschied, die Nacht war ein einziger Alptraum in der ich keine Sekunde schlafen konnte und für die Organisation war es auch nicht wichtig, da unser Guide bis mittags im Bett lag und wahrscheinlich seinen Rausch ausschlief. Darchem, so heißt dieser trostlose Ort ist ziemlich hässlich, chinesisch beflaggt und alleine zum Zweck der Kora entstanden. Man hätte allerdings einen schönen Blick auf den Kailash, wenn denn das Wetter gut gewesen wäre, aber zu allem Überfluss begann es auch noch zu schneien. Die Nacht war für uns Mädels wie gesagt richtig scheiße, mir ging es allerdings am nächsten Morgen wieder ein wenig besser, aber Carola ging es immer noch schlecht. Und da das Wetter sich auch nicht gebessert hatte, entschlossen wir uns , die Tour abzubrechen, was keine leichte Entscheidung war, da dies für uns alle drei ein großer Traum gewesen war. Unser toller Guide wollte dann gleich ein ganzes Stück Richtung nepalischer Grenze fahren, aber wir bestanden darauf, eine weitere Nacht am See zu verbringen. Dort war es wieder richtig toll, uns ging es allen einigermaßen gut und wir spazierten am See entlang, wo wir zufälligerweise eine indische Gruppe beobachteten, die eine kleine Zeremonie veranstalteten und eine Urne in den See leerten. Das war wirklich beeindruckend, aber als der Wind die Asche in unsere Richtung trug, musste ich doch an den Big Lebowski denken und ein bisschen lachen. Jochen und ich besichtigten dann auch noch das Kloster, das zur einen Hälfte während der Kulturrevolution zerstört worden war. Wir hatten phantastisches Wetter und eine tolle Aussicht auf den See und die Berge, aber der Kailash war wohl ein bisschen beleidigt und blieb in den Wolken. Am nächsten Tag fuhren wir die ganze lange Strecke bis zur Grenze, wo wir unterwegs ein Kloster besuchten, natürlich ohne unseren Guide, der behauptet hatte, das Kloster habe geschlossen. Das war noch einmal ein weiterer Höhepunkt, denn wir konnten uns einer tibetischen Frauengruppe anschließen und in das Innere des Klosters gehen. Hier hatte ich wieder eine lustige Begegnung wegen meines Lippenpiercings, das in Nepal und Tibet ziemlich exotisch ist und das obwohl die Frauen hier riesengroße Nasenpiercings tragen, die übrigens toll aussehen. Die Stadt war, wie wohl alle Grenzstädte eher trostlos mit einigen Hotels, chinesischen Supermärkten und kleine Schaufenster, in denen chinesische Prostituierte saßen und strickten. Am nächsten Morgen gingen wir noch eine Thermoskanne und Schnickschnack einkaufen und dann waren wir endlich wieder in Nepal. Also unterm Strich: mit einer besseren Organisation und einem besseren Guide wäre die Fahrt bestimmt erfolgreicher verlaufen, denn die Landschaft ist einfach der Hammer, die Kloster, sofern noch vorhanden, sind wunderschön und die Umrundung hätten wir mit einer besseren Anpassung bestimmt geschafft. Für unseren nächsten Versuch, den wir bestimmt irgendwann noch einmal starten werden, wissen wir ja jetzt, was zu beachten ist.

Bilder Kathmandu


Bilder Tibet

IMG_5965
vespalocke - 29. Jun, 05:13

klos

und ich dachte, dass klos in vietnam (richtung china in den bergen) die schlimmsten seien.. tja, falsch gedacht bzw. gar nicht mal so falsch, wenn ich wirklich darueber nachdenke... in vietnam schwomm alles ueberall....daher, aber genug davon. themawechsel: gut schaust du aus, meine liebe. frisch blond - steht dir ausgezeichnet!!
tolle tolle, atemberaubende fotos... und gott sei dank geht es euch wieder besser! wie unangenehm, wenn es einem in einem eckligen zimmer schlecht geht.
interessant, was du ueber lhasa und tibet schreibst - das hatte ich schon oefter gehoert. so traurig!
nun gut - weiterhin atemberaubende eindruecke - diese wolken sind einfach der hammer! glg n

beat-it - 4. Jul, 22:37

solche albträume...

... beeindrucken auch mich zutiefst *schluck*, aber noch mehr eure WAHNSINNSBILDER!!!!

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